496 Xxiii. §. 6. Nlederbeucning und Wiederaufrichtung der Papstmacht.
reits erfüllen zu sollen, wonach „die große Stadt, die das Reich hat
über die Könige auf Erden, von eben diesen Königen bloß und wüste
gemacht und mit Feuer verbrannt werden wird." Aber solche Zeit
steht noch bevor. Viel zu sehr hatte der katholische Kaiser den
Papst nöthig, als daß er ihn gänzlich hätte verderben sollen. Wir
sehen ihn bald wieder Unterhandlungen mit seinem Gefangenen an-
knüpfen, ihn freigeben, sich mit ihm verbünden. Mit heimlichem
Widerwillen, aber durch die Umstände gezwungen, tritt der Papst
wieder auf die Seite des Kaisers. Er muß den übermächtigen Nach-
bar in Italien dulden, muß sich bereit erklären, seine politischen Ent-
würfe zu unterstützen — aber Eins bedingt er sich dafür aus, Eins
gewährt ihm der Kaiser zur erwünschten Entschädigung: seinen kräf-
tigen Arm zur Ausrottung der lutherischen Ketzerei. Im Jahr 1529
kommt Kaiser Karl selber aus Spanien nach Italien. In Bologna
trifft er mit dem Papst zusammen. Er ist auf dem Wege nach Deutsch-
land. Da werden die schärfsten Maßregeln gegen die hartnäckigen
Ketzer in Deutschland verabredet. Und bemerken wir es wohl. Der
Kaiser war jetzt ein Anderer, als vor neun Jahren, er war jetzt in die
Jahre der Reife und der Selbständigkeit eingetreten. Von jetzt an
sehen wir ihn im Rache wie im Felde überall selbst an der Spitze,
bei ihm steht immer die letzte Entscheidung, überall sieht er selbst,
urthellt er selbst, handelt er selbst. Unermüdlich ist er in den Staats-
geschäften, unüberwindlich im Felde. Und alle dieft so lange gesparte
Kraft, alle den frischen Eifer einer langsam bedachten, aber nun ent-
schieden ergriffenen Politik ist der Kaiser entschlossen zur neuen
Kräftigung des Papstthums in Deutschland gegen die Protestanten
zu kehren.
Schon länger waren die ersten vorläufigen Wirkungen der neuge-
kräftigten Papstmacht und des entschieden kaiserlichen Katholicismus
in Deutschland wahrgenommen. Die katholisch gesinnten Fürsten und
Städte, insonderheit die geistlichen Fürsten, deren Eristenz bedroht
war, deren Besitzungen hier und da bereits eingezogen wurden, erhüben
wieder ihr Haupt, traten aus einer abwehrenden wieder in eine angrei-
fende Haltung. Da wurden die Lutherischen verfolgt, da wurde das
erste Märtyrerblut der evangelischen Kirche vergossen. Die Herzoge von
Bayern und die kleineren mit dem päpstlichen Legaten verbundenen Für-
sten und Bischöfe hatten gleich nach ihrer Absonderung von der großen
Gesammtaufgabe des deutschen Volks angefangen, evangelisch gesinnte
Priester zu entsetzen, in's Gefängniß zu werfen, adlige Besitzer aus
ihren Gütern zu vertreiben, Beamte peinlich zu verhören, Bürger und
Bauern hinzurichten. Besonders eifrige Prediger wurden mit der Zunge
an den Pranger genagelt, andere mit dem Staupbesen gestrichen, Luther's
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Italien Spanien Italien Bologna Deutsch- Deutschland Deutschland Deutschland Bayern
Xxiii. tz. 9. Die Reformation in der französischen Schweiz und in England. 805
solche unerbittliche Zucht, solch' methodischen Zwang, rücksichtslose
Festigkeit und enge unausweichliche Beschränkung des Lebens und
der Sitte, wie Calvin sie in Gens einführte. Aber in Deutschland
hat das Genfer Christenthum keinen Eingang finden können. Viel-
mehr hat sich die deutsche von Luther abweichende und mehr der
calvinischen Auffassung zugekehrte Form reformatorischen Glaubens
und Lebens in dem ausgezeichneten, um seiner Anlage und um seines
Inhalts willen hochgepriesenen Heidelberger Katechismus (1563)
ein neues Symbol und Palladium geschaffen, welches die calvinischen
Harten in glücklicher Weise vermeidet, ohne den Widerstreit gegen eine
Anzahl lutherischer Lehren und Fassungen fallen zu lassen. Wir mö-
gen diese im Heidelberger Katechismus vertretene Ausgestaltung refor-
matorischen Lebens als eine wahlberechtigte Ergänzung des lutherischen
Kirchenwesens anerkennen, mögen auch die Hoffnung nicht aufgeben,
daß eine tiefere Forschung vielleicht noch eine künftige Einigung in
der Lehre herbeiführen wird; aber unter allen Umständen bleibt doch
unverkennbar eine nicht auszusüllende Kluft zwischen lutherischem und
reformirtem Wesen, Bekenntniß, Gottesdienst, Anschauungen und Lebens-
formen. Jede Berührung mit der reformirten Christenbeit des west-
lichen Auslandes bringt und diese innerste (nationale) Verschieden-
heit sofort wieder zum Bewußtsein.
Schon gleich nachdem Luther den Kampf gegen das Papstthum be-
gonnen, zeigten sich auch in Frankreich selbst unter den Geistlichen
und in der Nähe des königlichen Hofes entschiedene Vorneigungen zur
evangelischen Predigt, aber auch sofort mit dem Beisatz der Härte und
Schroffheit, welche wir auch bei Calvin wahrnahmen. Die Predi-
ger und Seelsorger für die kleinen evangelischen Gemeinden, welche sich
unter dem Drucke blutiger Verfolgungen in Frankreich, unter offener Be-
günstigung in Navarra, bildeten, empfingen fast alle ihre theologische
Bildung auf der Hochschule Calvin's in Genf. Man sandte ihm
das Holz und er schnitzte die Pfeile daraus. So wurde Calvin die
höchste reformatorische Autorität Frankreichs. Nicht minder der
Niederlande. Luther's Auftreten hatte auch dort sogleich die reli-
giösen Bewegungen wach gerufen. Unter der strengen Ueberwachung
Karl's V. aber und seiner Statthalter waren die Niederländer bald
in dieselbe Lage gekommen wie die Evangelischen in Frankreich. Wie
das gleiche Unglück sie beide verband, so brachte es auch in beiden Län-
dern gleiche Wirkungen hervor. Durch die Verfolgungen wurde der
Haß gegen das Papstthum bis zur äußersten Gluth angefacht und
machte sich in schrecklichen Bilderstürmereien und in zwinglischer gänz-
licher Verwerfung aller katholischen Kirchenformen Luft. Zwar die
wilden Ausbrüche des Bildersturms und der Wiedertäuferei find schnell
unterdrückt, aber die Vorneigung zur calvinischen Fassung der prole-
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Xxv. §. 15. Blick in die Zukunft.
679
vierte (römische) Weltreich sich in zehn Hörnern (zehn Königreichen)
darstellen wird — was bereits vorhanden ist —, wird aufkommen ein
anderer (Feind Christi, Antichrist), der drei Könige demüthigen, den
Höchsten lästern, die Heiligen des Höchsten verstören und sich unter-
stehen wird, Zeit und Gesetz zu ändern. Seine Herrschaft wird
dauern 2>y/2 Zeiten. (Sieben Zeiten ist die Fülle oder ganze Zahl
der Zeiten, hier haben wir die Hälfte von sieben.) Alsdann wird
der Menschensohn vom Himmel erscheinen, der Antichrist wird getöd-
tet, alle Gewalt und Macht wird dem Sohne gegeben, und die Hei-
ligen werden sein Reich und seine Herrschaft mit ihm theilen. Dies
alles liegt noch in der Zukunft. Zwar etwas Aehnliches wie das
Emftorkommen eines gottfeindlichen dämonischen Herrschers ist schon öfter
geschehen. Dan. 8 beschreibt die Herrschaft eines solchen Zerstörers
und Lästerers (nämlich des Antiochus Epiphanes) schon in den Zeiten
des dritten Weltreichs (der griechisch-macedonischen Monarchie). Auch
in den Zeiten des vierten Weltreichs ist schon zweimal etwas Aehn-
liches vorgekommen, in der Erscheinung des Mohamed und des
Napoleon. Allein noch waren nicht alle Züge des schrecklichen
Bildes an ihnen wahrzunehmen, die volle Erfüllung steht noch aus.
Wir erwarten also in der Zukunft den Antichrist, der ein
neues Weltreich gründet, und das Reich Gottes umzustürzen versucht,
und eine Zeitlang die Gewalt hat auch über die Jünger des Herrn.
Dann aber wird Christus selber. erscheinen und ihn vernichten und
sein eignes Gottesreich sichtbarlich auf Erden aufrichten, und die Sei-
nigen werden mit ihm herrschen. Das alles wird durch viele andere
Stellen der heiligen Schrift bestätigt, z. B. 2 Thess. 2, 3 ff., wo
noch hinzugefügt wird, daß das Kommen des Antichrists mit einem
Abfall der Christenheit von ihrem Haupt verbunden sei. Etwas
Aehnliches steht Joh. 2, 18 und 4, 3. So wie schon immer auch
aus der Mitte der Gläubigen sich von Zeit zu Zeit eine entschiedene
Feindschaft gegen den Herrn, ein widerchristlicher Sinn sich gebildet
hat, so wird gegen das Ende der Tage dieser Abfall allgemein und
der Widerchrist persönlich und leibhaftig vorhanden sein. Ausführ-
licher ist von der Erscheinung und Thätigkeit des Antichrists die Rede
Offb. 13—19. Da wird zuerst beschrieben, wie das Thier, die Welt-
macht, speciell die römische Weltmacht, zwar zum Tode getroffen, aber
zur Verwunderung aller Welt doch wieder aufgelebt sei. (Das rö-
mische Reich war 476 zerstört und scheinbar vernichtet, aber 800 lebte
es wieder auf.) Alles beugte sich vor seiner Macht, alle Geschlechter
und Sprachen und Heiden. Dann aber tritt ein anderes Thier neben
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Christi Epiphanes Napoleon Christus
Vi
Vorwort.
des Verfassers, eben so wenig die Beibringung der gewöhn-
lichen antiquarischen und geographischen Notizen. Dem Schüler
wird sie der Lehrer mündlich mittheilen, und der Gebildete
kennt sie bereits aus anderen Quellen. Hier sollte nur über-
sichtlich der Gang der Begebenheiten, wie er auf Ein großes
Ziel hindrängt, in Erinnerung gebracht und nur die großen
Wendepunkte des Völkerlebens in eingehenderer Schilderung
vorgesührt werden. Von den vielen einzelnen Kriegszügen
der Alten und von den unzähligen kleinen politischen und
militärischen Verwickelungen der Neuzeit, die sich ohnehin dem
Gedächtniß immer wieder entziehen, ist wenig ausgenommen;
aber desto mehr aus der Kirchen- und Sittengeschichte, wie auch
aus der Literaturgeschichte. Jeder Paragraph sollte ein möglichst
in sich zusammenhängendes und abgeschlossenes Einzelbild aus
der Geschichte geben, und zwar in der neuern Zeit meist ein
Doppelbild, indem den zuerst in's Auge fallenden politischen
Ereignissen die weitere Schilderung des gesammten Zeitcharakters
nachfolgt. In der alten und Mittlern Geschichte konnten
die Paragraphen kürzer sein. Sie bestehen immer aus zwei Thei-
len, so daß der erste oder Haupttheil das Wichtigste und Bedeut-
samste aus deni vorgeführten Zeitabschnitt in einem großen Rah-
men zusammenfaßt, und der zweite Theil noch besondere Einzel-
heiten nachbringt, die zur Beleuchtung, Beschränkung oder Erwei-
terung des Vorhergehenden dienen sollen. Beim Schulgebrauch
wird diese Form die Einrichtung eines doppelten Cursus er-
leichtern. Daß auf gewissenhaftes Nachlesen der angezoge-
nen Bibelstellen, noch vielmehr auf eine schon vorhandene gründ-
liche Kenntniß der biblischen Geschichten und des Gotteswortes
überhaupt gerechnet wird, bedarf kaum einer besondern Erwäh-
nung. Die angchängte Regententafel wird zur leichtern Orien-
tirung beim Gebrauch des Buches erwünscht sein.
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TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T30: [Periode Abschnitt erster zweiter Zeitraum dritter Jahr Kapitel Sonne Planet]]
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* Vii. §. L. Entstehung und früheste Erscheinung des asiatischen Weltreichs. 60
reiches allezeit hinderte, hatte in den weiten Gebieten zwischen dem
kaspischen Meer und dem persischen Busen sich von Alters her eine
Herrschermacht festgesetzt, welche eine große Anzahl verschiedener
Völker, Könige und Geschlechter unter ihrem Scepter vereinigte und
über ein buntscheckiges, aus vielen Sprachen und Nationen zusam-
mengestücktes Reich ihre Befehle und Einwirkungen ausgehen ließ.
Ein solches Reich nennen wir mit jetzt allgemein angenommenem
Namen ein Weltreich.
Das älteste Weltreich hatte seinen Mittelpunkt und Schwerpunkt
in den genannten Gegenden am Eufrat und Tigris, und die Städte
Ninive, Babylon, Susa waren nach einander die Sitze der jedesma-
ligen Herrscher. Denn die Gestalt, die Ausdehnung, das Herrscher-
volk und die Herrscherfamilie dieses Weltreichs wechselten oft, wie-
wohl Kern und Wesen im Ganzen dasselbe blieb. In späteren Jahr-
hunderten rückte dies Weltreich viel weiter nach Westen vor und
veränderte dadurch seinen Charakter, mischte sich mit dem occidenta-
lischen Wesen unter griechisch-macedonischer Herrschaft und verpflanzte
sich endlich ganz nach dem Occident hinein im römischen Reich. Von
diesen Wandlungen der heidnischen Weltmacht erhalten wir im Daniel
2 und 7 eine wunderbar großartige Darstellung. Aber das assyrische
Reich, als zur Zeit des Daniel schon vergangen, wird in jenen Ca-
piteln nicht mehr erwähnt. Es brauchte auch nicht erwähnt zu wer-
den, weil es ja in seinem ganzen innern Wesen noch mit dem ba-
bylonischen eins, und das babylonische nur eine Fortsetzung des assy-
rischen Weltreichs ist. Da aber, wo die Zahl aller auf einander
folgenden Weltmächte genau angegeben werden soll, wie Apok. 13
und 17, werden, statt der vier Weltmonarchieen bei Daniel, sieben
gezählt: eine Zahl, die nur dann herauskommt, wenn auch das assy-
rische als eine besondere Form des asiatischen Weltreichs anerkannt
wird.
Die früheste Entwicklungsgeschichte dieses uralten Weltreichs ist
eben so dunkel und unklar, wie die Urgeschichte des Gottesreichs
(Israel) klar und offenbar ist. Denn was aus dem sündlichen Boden
des gottentfremdeten Völkergewirres aufsteigt (die Schrift nennt es Völ-
kermeer), vermag nur das von Gott geschärfte und erleuchtete Auge eines
heiligen Sehers sofort in seiner Eigenthümlichkeit und Bedeutung
zu erkennen und in seiner Schilderung auf entsprechende Weise wieder-
zugeben. Wie kein unerleuchtetes Auge den leisen Anfang des Reiches
Gottes in der Ausführung Abraham's nach Canaan würde erkannt
oder auch nur geahnt haben, eben so wenig vermochte es die Anfangs-
punkte und Entwicklungsepochen des großen Weltreichs zu unterschei-
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Extrahierte Personennamen: L. Daniel
Extrahierte Ortsnamen: Ninive Occident Israel Gottes
172
Xiii. §. 3. Entstehungsgeschichte Rom's.
Heiligthümer und Priester hatte. Jede Tribus war in zehn Curien,
das ganze Volk also in dreißig Curien getheilt, die dann wieder in
verschiedene Unterabtheilungen bis hinab zu der einzelnen Gens zer-
siel. Gens aber hieß der Familienverband, die Geschlechtsverwandt-
schaft, die durch den Allen gemeinsamen Namen erkennbar war, und jede
Gens hatte wieder ihre besonderen Familienopser, Familiengötter, Fa-
miliengebräuche, namentlich auch ihre besonderen Clienten. Das waren,
wie schon erwähnt wurde, abhängige Leute, welche durch religiöse
Verpflichtungen dem Haupte der Familie zu bestimmten Dienstleistun-
gen verbunden waren, und dafür den Schutz und die Vertretung,
Berathung und Aushülfe des Familienhauptes als ihres Patrons ge-
nossen. So sorgfältig wurde jeder einzelnen Genossenschaft innerhalb
der römischen Gemeinde ihr Bezirk abgegrenzt, auf welchem sie sich
als auf ihrem eignen Gebiet frei und unbehindert bewegen konnte.
Dagegen war auch ebenso sorgsam vorgesehen, daß keine dieser bis
auf einen gewissen Grad selbständigen Gemeinschaften die übrigen,
oder auch nur die nächst benachbarten hindern oder gar verletzen,
sondern alle in freier und kräftiger Weise zur gegenseitigen Förderung
und zum Wohl des Ganzen Zusammenwirken möchten.
Die Entstehungsgeschichte Rom's ist ebenso wie die jeder andern
Stadt oder Nation in Sagen gehüllt. Das Jahr 753 wird als das
Jahr der Erbauung Rom's angenommen, also die Zeit, wo die Assyrer
anfingen, das Reich Israel zu bedrängen. Romulus, später als Gott
verehrt und Quirinus genannt, wird als Gründer und Erbauer der
Stadt gepriesen, aber zugleich als Mörder seines Bruders Remus mit
dem Kainszeichen gebrandmarkt, ein Zeichen, welches das ganze rö-
mische Volk, das sich selbst ein Räubervolk zu nennen liebt, nie wieder
von seiner Stirn hat wischen wollen oder können. Als eine Räuber-
schaar erscheint die erste latinische Colonie, welche sich mit Romulus,
der aus Alba Longa stammte, an den Ufern der Tiber auf dem pala-
tinischen Hügel anstedelte. Durch Raub wurden die Weiber und
Töchter der Sabiner gewonnen, und der Sabinerkönig aus Cures be-
wogen, sich mit seiner sabinischen Gemeinde auf dem capitolinischen und
quirinalischen Hügel niederzulassen. Nach der Ermordung dieses Kö-
nigs Titus Tatius ward Romulus von den Latinern und Sabinern
und den inzwischen noch hinzugetretenen Etruskereolonieen auf dem cö-
lischen Hügel als gemeinschaftlicher König anerkannt. Eine Anzahl von
100 Familienhäuptern aus jeder Tribus stand als Senat ihm zur
Seite und hinderte ihn an jedem Mißbrauch seiner Königsgewalt zu
despotischer Willkür. Als aber Romulus gleichwohl seinen Eigen-
willen geltend machen wollte, da wußte der Senat ihn schnell zu besei-
tigen und ließ ihn unter einem ehrenvollen Vorgeben plötzlich ver-
schwinden. So war der Anfang Rom's nach der eignen Sagenge-
schichte der Römer durch Gewaltsamkeit der schlimmsten Art befleckt.
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Xv. §. 3. Rom und Jerusalem zur Zeit Christi. 231
§. 3. Rom und Jerusalem zur Zeit Christi.
Kein stärkerer Gegensatz läßt sich an irgend einem Punkte der
Weltgeschichte denken, als in den Jahren 30 und folgende nach Christo
in Rom und Jerusalem. Dort der finstere Wütherich Tibe-
rius, seit dem Jahre 14 des Augustus Nachfolger, der despo-
tische Beherrscher des gesammten Weltreichs, hier die Freundlichkeit
und Leutseligkeit des gnadenreichen Gottes in der theuren Gestalt des
Gottmenschen und Heilands Jesu Christi. Da sind Hölle und Him-
mel neben einander gestellt. Während Tiberius jeder höhern Re-
gung unzugänglich erscheint und nur die Kräfte der Finsterniß in sei-
nem lauernd boshaften Gemüthe sich wirksam zeigen, hat sich über dem
Friede und Freude bringenden Haupt des ewigen Königs der ganze
Himmel aufgethan und der Glaube steht die Engel hinauf- und herab-
steigen auf den Menschensohn. Den Tiberius sehen wir nie an-
ders als in abgeschlossener Heimlichkeit brüten und seine Todespfeile
in finsterer Einsamkeit schmieden, er tritt nur hervor, um mit berechne-
ten Worten und Geberden sie auf das Opfer zu schleudern; der Herr
und Heiland dagegen hat nicht, wo er sein Haupt hinlegte, ist un-
ablässig im lebhaftesten Verkehr mit den Seinen, in dem unruhigen
Gedränge des Volks, kann selbst durch sein Weichen auf das Schiff,
in die Wüste, über die Heidengrenze sich nicht vor dem unaufhörli-
chen Andrängen retten, wird stündlich überströmt mit Fragen und Bit-
ten, hat nie Zeit, sich zu besinnen, sich vorzubereiten, und immer doch
dieselbe Klarheit, Ruhe und Freundlichkeit („lasset uns zur Freund-
lichkeit gehen", sagten die Leute), jedes Wort aus seinem Munde
Wahrheit, Gerechtigkeit und göttliche Weisheit. Tiberius, dem
Herrn des Weltreichs, dem alle irdischen Schätze und Kräfte zu Ge-
bote standen, läßt sich nicht eine gute Handlung, nicht ein einziges
Werk der Liebe und des Erbarmens Nachweisen; der Menschensohn,
der unter die Aermsten des jüdischen Landes sich stellte, für dessen
irdische Bedürfnisse wohlthätige Freunde Sorge tragen mußten, konnte
fast keinen Schritt thun, der nicht von Wohlthaten, Gnadenerweisun-
gen, Heilungen, Tröstungen und Segnungen begleitet war. Tibe-
rius in seiner tückischen Menschenverachtung entschädigte sich in sei-
ner festumschanzten Einsamkeit durch die allergemeinsten und unzüch-
tigsten Schwelgereien und unflätigsten Sinnengenüsse, und während
ringsumher durch alle Provinzen seines weiten Reiches sein Name
nur mit Angst und Grauen genannt, seine blutigen Edicte nur mit
Schreckerl und Entsetzen empfangen wurden, vergnügte er sich mit seinen
Sängerinnen und Tänzerinnen und suchte durch thierische Gemeinheiten die
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin]]
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Extrahierte Personennamen: Christo Augustus Tiberius Tiberius Tiberius
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Christi Jerusalem Christi Rom Jerusalem Tibe- Gottes Heilands_Jesu_Christi
250 Xvi. §. 2. Verfolgungen der Christen im zweiten Jahrhundert.
Christen gemeint hatte, aber es kannte nicht ausbleiben, daß es von
feindlich gesinnten Bevölkerungen und Statthaltern gegen sie gewen-
det wurde. Und zum Beweise, daß keineswegs persönliche Feindschaft
und lasterhafte Gesinnung dazu gehöre, um die Herrscher des Welt-
reichs zur Ausrottung des Christenthums zu bestimmen, mußte es
gerade unter dem edlen Trajanus einer der edelsten und zartfüh-
lendsten Statthalter sein, Plinius in Klein-Asien, der die Christen
niit ganz besonderer Strenge verfolgte. Er hatte genaue Untersu-
chungen angestellt, hatte selbst den günstigsten Bericht über das Leben
und Treiben der Christen abgefaßt, und dennoch — weil sie die von
den Staatsgesetzen gebotenen heidnischen Ceremonien nicht mitinachten,
dem Bilde des Kaisers und der Götter nicht Weihrauch streuen und
Opfer bringen wollten, ließ er sie mit dem Tode bestrafen. Dem
aufgeregten Volke aber genügte die strenge Gerechtigkeit und wohl-
wollende Schonung der Richter keineswegs. Aus allen Seiten ver-
suchte es, durch ein tumultuarisches Verfahren sich der Christen zu
entledigen. Es scheint, daß gerade diese Gewaltsamkeiten und schreien-
den Ungerechtigkeiten, die vom Volk begangen wurden, die beiden
folgenden Kaiser Hadrianus (117 — 138) und Antoninus Pius
(138 — 161) zur Einstellung aller gerichtlichen Verfolgungen gegen
die Christen bewogen haben, weil es ihr Gemüth verletzte, der aufge-
regten Volkswuth neue Nahrung zu bielen. Aber der letzte unter
den edleren Kaisern, Marcus Aurelius (161 — 180), veranlaßt
wieder eine sehr blutige Verfolgung, deren eben so erschütternde als
erhebende Einzelheiten in den Märtyrergeschichten der Christengemein-
den zu Lyon und Vienne und in Smyrna (wo der 90jährige Poly-
carpus in den Flammen starb) uns vollständig aufbewahrt geblie-
bensind. Diese beiden Verfolgungen unter Trajanus und Marcus
Aurelius sind übrigens während des zweiten Jahrhunderts noch die
einzigen geblieben, die von Staatswegen unternommen wurden.
Unter den weiter folgenden elenden Kaisern Commodu s (180 bis
192), Pertinar, Julianus u. s. w. bis nahe an den Schluß des
Jahrhunderts trat wieder Ruhe ein — ein neuer Beweis, daß, je
träger und gleichgültiger die Kaiser waren, desto weniger die Christen
zu befürchten hatten. Je ernster sie es aber mit ihrer Pflicht nah-
men und je klarer ihnen die Zukunft vor Augen stand, desto eifriger
suchten sie den unvereinbar fremden Stoff des Christenthums aus dem
heidnischen Staatskörper herauszudrängen.
Durch viese Verfolgungen konnte natürlich die Ausbreitung
des Christenthums in keiner Weise gehemmt werden. Selbst da, wo
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn]]
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Extrahierte Personennamen: Marcus_Aurelius Marcus
Aurelius
Xx. §. 3. Untergang der Karolinger. 365
stieß und Arnulf, Karlmann's Sohn, darauf erhob. Dieser
Arnulf (887—899) war der letzte karolingische Kaiser, und mit
Arnulf's Sohne, Ludwig dem Kinde (899—911), starb das
karolingische Geschlecht in Deutschland aus.
Durch die Theilungen des kaiserlichen Ländergebiets unter den Nach-
kommen Ludwig's des Frommen wurden die beiden Länder Frankreich
und Deutschland zum ersten Male bestimmt und klar von einander ge-
schieden. Man nimmt gewöhnlich den Thetlungsvertrag zu Verdun
843 als den Zeitpunkt, von wo an unser deutsches Vaterland sich als
ein besonderes und selbständiges Reich aus der großen Ländermaffe
Karl's des Großen und Ludwig's ves Frommen aussonderte. Damals
aber wurde der Rhein als westliche Grenze Deutschlands bestimmt.
Hinter dem Rhein fing jedoch keineswegs Frankreich an, sondern erst
hinter den Flüssen Rhone, Saone, Maas und Marne. Was zwischen
inne lag, sollte Eigenthum des Kaisers Lothar und seiner Söhne sein.
Als nun das ganze Geschlecht des Kaisers Lothar schon 875 ausstarb,
wurden diese Zwischenländer Burgund und Lothringen zwischen Deutsch-
land und Frankreich getheilt, und an Deutschland fielen diejenigen Stücke,
welche von des Vonifacius Zeiten her und durch spätere Bestimmun-
gen der Päpste unter dem Primat des Erzbischofs von Mainz standen.
Unter dem Primat von Mainz standen aber jenseits des Rheins die Erz-
bischöfe von Köln und Trier mit den Bisthümern Utrecht und Lüttich
(später auch Metz, Tul und Verdun), sowie die Bisthümer Worms,
Speier und Straßburg; selbst Basel mit einem großen Theile der west-
lichen Schweiz. Hier können wir also den Umfang des deutschen Kö-
nigthums, wie Ludwig der Deutsche es noch in seinem letzten Lebens-
jahre vollständig in Besitz genommen hatte, klar übersehen. Es reichte
von der Nordsee bis an die Alpen. Die nördliche Hälfte war nur
schmal und stark nach Westen geneigt; sie erstreckte sich von der Maas
nicht viel über die Elbe. Denn die slavischen Völker, welche ostwärts
der Elbe wohnten, entzogen sich noch immer der germanischen Herr-
schaft und blieben in wildem Heidenthum unter einer Menge kleiner
Fürsten zertheilt. Die südliche Hälfte des deutschen Landes war da-
gegen viel breiter, sie dehnte sich von der Saone bis an die Dran, bis
an die ungarische Donau, bis an die Theiß. Aber die südöstlichen
Länder konnten die deutschen Könige nicht behaupten. Es wurde ihnen
schon schwer, den mächtigen Herrscher des großen mährischen Reichs in
Unterthänigkeit zu halten. Als dann später gar die Magyaren Ungarn
in Besitz nahmen, das mährische Reich zertrümmerten und in verhee-
rendem Strome auch die deutschen Donauländer überflutheten, war es
kaum möglich, die karnische und steyerische Mark, ja auch nur die bayeri-
schen Grenzen gegen ihren ungestümen Andrang zu sichern.
§. 3. Untergang der Karolinger.
Gott der Herr sucht die Frevel der Väter heim bis in's dritte
und vierte Glied. Ob auch die Väter die Zukunft ihrer Kinder durch
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Lothar Lothar Ludwig_der_Deutsche Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Deutschland Rhein Deutschlands Rhein Frankreich Burgund Lothringen Deutsch- Frankreich Deutschland Mainz Mainz Rheins Verdun Basel Nordsee Donau Ungarn
X. §. 2. Ursprüngliche Zustände in Griechenland. 117
mochten ihre Kenntnisse und Geschicklichkeiten nur als ein Gemeingut
auszubilden, festzuhalten und zu vererben. Bei den Mischvölkern
Asiens sahen wir, wie allmälig alle Bildung, Macht und Herrlich-
keit in die Person des Fürsten zusammengedrängt wurde, nur seinen
Befehlen und Launen diente, und die Mafien nur um des Herrschers
willen ihre Kräfte zusammenzunehmen schienen. In Griechenland
War solches Verschmelzen zu größeren Massen gar nicht möglich. Die
Natur des Landes, welches in eine Menge einzelner kleiner, in sich
abgeschlossener Bezirke zerfällt, sondert auch die Bewohner in eben so
viel kleine Staaten und Gemeinwesen aus einander und giebt den
Bewohnern die verschiedensten Beschäftigungen und Richtungen ihrer
Thätigkeit an die Hand. Das griechische Volk selbst bestand von
Anfang an aus einer Anzahl verschiedener Stämme, deren Eigen-
thümlichkeiten vielfach von einander abwichen, die zwar durch die
gemeinsame Sprache und Grundrichtung ihres Gemüthes sich als zu-
sammengehörig erkannten, aber in ihren scharf von einander geson-
derten Dialekten auch schon den Beweis lieferten, daß jeder Stamm
seine eigenthümliche Bestimmtheit sich bewahren und in abgesonder-
ter Entwicklung sich in seinen eignen Bahnen versuchen wollte.
Daß das Griechenvolk zu der großen Masse der j aph e t it ischen
Geschlechter gehörte, ist unbestreitbar; ebenso, daß es von der großen
Hauptfamilie der arischen Volker sich abgezweigt hat, die ursprüng-
lich ihren Sitz auf den Hochflächen des westlichen Asiens hatten. Aber
wann und wie es in die griechischen Länder eingewandert ist, wissen
wir nicht. Im Anfang der Geschichte begegnen uns in Griechenland •
zwei Volksnamen, Pelasger und Hellenen. Ob diese Namen aus
eine verschiedene Abkunft oder nur auf ein verschiedenes Zeitalter und
verschiedene Culturstufe desselben Volkes hindeuten, ist noch zweifel-
haft*). Der Name Pelasger erscheint überall bei den ältesten
Ansiedlern. Sie werden uns geschildert als ein ruhiges ackerbautrei-
bendes Volk mit einfachen Göttergestalteu, welche uns an die arische
Lichtreligion in mannigfacher Weise erinnern, deren Natur und Namen
aber erst von den späteren Hellenen fester bestimmt und ausgeprägt
sind. Die späteren Hellenen nämlich zeigen sich als ein schon
bedeutend vorgeschrittenes, bewegliches und strebsames Geschlecht und
überflügeln allenthalben die ruhigeren, schwerfälligeren Stämme der
alten Bewohner, drängen sie aus den anlockenden und bevorzugten
*) Vielleicht gab es eine Zeit, wo die Väter aller „javanischen" Stämme, von
denen später nicht bloß Griechenland, sondern auch Italien besetzt wurde,
sich in einem Theile Vorder-Asiens, etwa in Phrygien beisammen fanden,
und von dort aus in getrennten Zügen nach Westen vorrückten, ein Thcil
durch das nördliche Griechenland hindurch nach dem nördlichen Italien, ein
anderer noch roherer Theil nach Griechenland, denen dann später andere
schon cultivirtere Stämme eben dahin nachfolgten.
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